Selbstvertretung – na klar“, so lautet der Slogan der aktuellen bundesweiten Kampagne der Lebenshilfe. Der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung macht seit 1992 immer am 5. Mai auf die Themen Selbstbestimmung und Selbstvertretung aufmerksam. Die Lebenshilfe Helmstedt-Wolfenbüttel gGmbH bringt bereits seit vielen Jahren Maßnahmen auf den Weg, damit Menschen mit Behinderungen, für sich selbst bestimmen können, was gut für sie ist.
Der erste Werkstatt-Rat wurde bereits 2001 gewählt. Er hält alle zwei Wochen für einen Tag Klausur. Inzwischen ist das Gremium, in dem Menschen mit Behinderung aus der Werkstatt die Interessen ihrer Kollegen vertreten, etabliert und dank des neuen Bundesteilhabegesetzes mit zahlreichen Rechten ausgestattet. „Wir haben zum Beispiel ein Mitbestimmungsrecht bei Bewerbungsgesprächen, wenn es um die Einstellung neuer Führungskräfte geht“, sagt Kai-Richard Meyer, Vorsitzender des Werkstattrates. Zuvor gab es nur ein Mitspracherecht. Jetzt entscheidet der Werkstattrat mit, wer beispielsweise Gruppenleiter wird.
In seiner Funktion ist Meyer bei der Lebenshilfe von der Arbeit in der Werkstatt komplett freigestellt – genauso wie es bei Betriebsratsvorsitzenden üblich ist. Außerdem hat er zusammen mit der ebenfalls aus den eigenen Reihen gewählten Frauenbeauftragten ein eigenes Büro.
„Viel zu lange wurden die Menschen, die es betrifft, bei wichtigen Entscheidungen übergangen“, findet Axel Koßmann, Öffentlichkeitsbeauftragter der Lebenshilfe Helmstedt-Wolfenbüttel und Vertrauensperson des Werkstattrates. „Fast immer werden Experten wie Ärzte oder Verwaltungsmitarbeiter gefragt, wenn es darum geht, was für Menschen mit Behinderungen gut ist. Das können die aber viel besser selbst beantworten“, so Koßmann weiter.
Der Werkstattrat bestimmt inzwischen nicht nur bei Personalentscheidungen mit, sondern auch beim Lohnsystem, Arbeitsabläufen, beim Mittagessen, beim Urlaub, bei Fragen zur Freizeit und bei Vorbereitungen für Feste. Auch bei geplanten Baumaßnahmen nimmt der Werkstattrat sein Mitbestimmungsrecht regelmäßig wahr.
Ines Schönian, die Frauenbeauftragte der Werkstatt, ist Ansprechpartnerin für alle weiblichen Beschäftigten. „Ich organisiere derzeit regelmäßige Frauen-Cafés an allen unseren Standorten, um meine Aufgaben vorzustellen und damit wir Frauen uns in lockerer Runde austauschen können“, sagt Schönian.
Bei der Lebenshilfe gibt es neben Werkstattrat und der Frauenbeauftragten noch eine Bewohnervertretung. „Außerdem ist es das erklärte Ziel unserer Trägervereine in Helmstedt und Wolfenbüttel, Menschen mit Behinderungen in den Vorstand zu wählen“, erklärt Koßmann. Das könnte erstmals 2020 der Fall sein, wenn die turnusmäßigen Neuwahlen anstehen.
BU: Die Beschäftigten vertreten ihre Kollegen der Lebenshilfe Helmstedt-Wolfenbüttel im Werkstattrat (von links): Jutta Pahmeier, Dirk Schumann, Simone Bangemann, Elke Aldrup, Kai-Richard Meyer, die Frauenbeauftragte Ines Schönian und Detlef Sturm. Foto: Lebenshilfe