„Irgendwie haben wir immer eine Lösung gefunden‟ – Eltern von Kindern mit Behinderungen berichten aus ihrem Familienleben

Die Familie: Sie stellt eine wichtige Einheit innerhalb der Gesellschaft dar. Um an diese Bedeutung zu erinnern, findet am 15. Mai jedes Jahr der internationale Tag der Familie statt, der 1993 durch eine Resolution der UN-Generalversammlung geschaffen wurde. Wenn ein Kind eine besondere Unterstützung oder Förderung braucht, ist die Familie natürlich besonders gefragt. Ein Kind mit einer Behinderung stellt die Eltern oftmals auf die Probe. Auch von den Geschwistern, die keine Behinderung haben, wird dann manchmal mehr erwartet.

Hier halten alle zusammen: bei der Familie Novello mit (von links) Klaus, Gianluca, Fabiano, Alessandro und Marion.

„Darüber macht man sich jedoch keine Gedanken, bis das eigene Kind mit einer Behinderung zur Welt kommt‟, gesteht der Wendessener Michael Schmitz. Seine jetzt fünfjährige Tochter Lavinia ist mit einem seltenen Gen-Defekt geboren wurden. „Das war am Anfang erst mal ein Schock für uns. Wir wussten ja nicht, was auf uns zukommt‟, erzählt die Mutter Silke Schmitz.

Der Gen-Defekt verursachte eine Entwicklungsverzögerung. „Am Anfang war sie fast teilnahmslos – wie im Dornröschenschlaf‟, erinnert sich der Vater. Die Eltern haben auch noch eine vier Jahre ältere Tochter. Daher wussten sie, welche Entwicklungsschritte eigentlich zu erwarten waren. Freunde der Familie hatten zudem zur gleichen Zeit ein Kind bekommen, so dass sie bei der Entwicklung immer einen Vergleich zu Lavinia ziehen konnten. „Wir mussten erst akzeptieren, dass sie eben ihren eigenen Weg geht‟, so die Mutter.

Für Lavinia ging es nach einem Jahr in einer regulären Krippe in den Heilpädagogischen Kindergarten Siebenstein der Lebenshilfe Wolfenbüttel. Dort machte sie große Entwicklungssprünge. Jetzt hätte nach den Sommerferien für Lavinia die Schulzeit beginnen können. Nach intensiven Überlegungen in der Familie und Untersuchungen eines Schularztes und des Gesundheitsamtes haben die Schmitz‘ entschieden, Lavinia ein weiteres Jahr in den Kindergarten gehen zu lassen. „Sie würde in der Schule sicherlich nicht negativ auffallen, aber wir wollen ihr das Leben nicht unnötig schwer gestalten‟ so Silke Schmitz. Sie beschreibt ihre Tochter als äußerst aktiv und charmant. „Sie lenkt geschickt ab, wenn sie etwas nicht beherrscht‟, erzählt die Mutter.

Jetzt erhält Lavinia eine gezielte Therapie für die Konzentration und die neurophysiologische Entwicklung – neben den Angeboten, die es ohnehin im Siebenstein gibt, etwa Psychomotorik, Trampolinspringen und heilpädagogisches Reiten. Sprachtherapie und Ergotherapie können in den Räumen des Kindergartens stattfinden und sind somit in den Alltag integriert.

„Im nächsten Jahr werden wir uns dann entscheiden, ob Lavinia eine inklusive oder eine Förderschule besucht‟, so die Mutter weiter. Derweil freuen sich die Eltern über jeden Erfolg ihrer Tochter. So besucht Lavinia derzeit einen regulären Schwimmkurs. „Daran hat sie große Freude‟, erzählt Silke Schmitz. Außerdem steht in diesem Sommer das Fahrradfahren auf dem familiären Lehrplan.

Gewisse Ähnlichkeiten gibt es auch im Leben der Familie Novello in Sickte. Der sechsjährige Fabiano geht ebenfalls in Wolfenbüttel zum Lebenshilfe-Kindergarten Siebenstein. Nach dem Sommer geht es für ihn dann an die Peter-Räuber-Schule. „Da haben wir nicht lange überlegt‟, erzählt Marion Novello. Die Inklusion sei ihrer Meinung nach längst noch nicht soweit, dass Fabiano an eine reguläre Schule gehen könnte.

Für Fabiano bedeuteten die ersten beiden Lebensjahre eine Leidenszeit. Viele Operationen standen auf dem Programm. „Die Angst war zu dieser Zeit unser ständiger Begleiter‟, erzählt Marion Novello. Mit drei Jahren ging er dann in den Lebenshilfe-Kindergarten. Dort bekommt er Krankengymnastik und Logopädie. „Das ist vorteilhaft, dass vieles gleich dort vor Ort stattfindet‟, so Marion Novello.

Denn Termine müssten die Eltern ohnehin viele einhalten. Zusätzliche Krankengymnastik und Therapien – dazu kommt, dass der ältere Sohn Alessandro Asperger-Autismus habe, und daher ebenfalls zu verschiedenen Therapien gefahren werden müsse. Die Arbeitgeber von Vater Klaus und von Marion Novello würden aber gut mitspielen. Gedanken macht sich die Familie über die anstehende Schulzeit von Fabiano. Ob dann die Therapietermine immer noch koordiniert werden können? „Irgendwie haben wir immer eine Lösung gefunden‟, sagt die Mutter zuversichtlich.

Im vergangenen Jahr ist die Familie beispielsweise zum ersten Mal seit Alesandros Geburt – also seit zwölf Jahren – in den Urlaub gefahren – nach Ägypten. Mit Monitor, Sonden-Nahrung und vielen Windeln sei es gar nicht so einfach zu reisen – das Gepäck musste beispielsweise gesondert aufgegeben werden. „Es ist nicht einfach, aber es geht. Wir freuen uns, dass wir uns das getraut haben.‟

Früher, so erzählt die Mutter, hatte sie oft ein schlechtes Gewissen, dass sie Fabiano zu viel Zeit widmet und die anderen Kinder zu kurz kommen. „Am schwierigsten hat es wohl Gianluca‟, so die Mutter. Der Zwillingsbruder von Alessandro geht ohne Behinderung durchs Leben. Doch die beiden älteren Brüder hätten immer viel Verständnis gezeigt und sich selbst oft um Fabiano gesorgt.

Zwar müssten sie öfter zu Ärzten und zu Therapeuten als andere Familien, sagt Marion Novello abschließend, „ansonsten ist unser Alltag aber ganz normal. Und: Wir möchten auch mit niemandem tauschen.‟

 

 Silke und Michael Schmitz lesen ihren Kindern aus einem Buch vor. Tochter Lavinia sitzt bei ihrer Mutter auf dem Schoß.