„Man nimmt eine Vaterrolle ein“ – Arbeit in einer Gruppe der Lebenshilfe-Werkstätten

Einfühlungsvermögen, Verständnis und ein Ohr zum Zuhören: All das ist nötig, um als Gruppenleiter in einer Werkstatt der Lebenshilfe für Menschen mit körperlichem und geistigem Hilfebedarf arbeiten zu können. „Wir sind hier eine Art kleine Familie. Man nimmt neben der Betreuer- auch eine Vaterrolle ein“, erklärt Burghard Großer, Gruppenleiter der Wolfenbütteler Lebenshilfe-Werkstatt Mascheroder Straße. Dennoch sei eine Distanz zu den Beschäftigten wichtig, um die Arbeitsmoral zu erhalten.

Burghard Großer schaut seinem Schützling Christian Dichtl ab und zu über die Schulter.

 

 

In Großers Gruppe arbeiten 17 Personen. Dabei spielt es keine Rolle, wie stark der Einzelne eingeschränkt ist. Auch die schwächeren Mitarbeiter werden von der Gruppe angenommen, weil sie zeigen, dass sie mithelfen wollen. „Wir haben auch einen Ein-Euro-Jobber. Er schnuppert bei uns in die Arbeitswelt hinein“, berichtet Großer. Der Gruppenleiter ist neben der Betreuung der Mitarbeiter für Förderpläne und Kontakt zu den Auftraggebern verantwortlich. „Insgesamt steht die Förderung im Vordergrund. Die Arbeit muss natürlich trotzdem ordentlich ausgeführt werden.“ Die Schwerpunkte richten sich je nach Stärken und Schwächen des Einzelnen. Damit auch etwas Abwechslung in den Alltag kommt, tauscht die Gruppe regelmäßig die Aufgaben. Zu diesen gehören unter anderem Montage oder Verpacken. Kleine Hilfsmittel unterstützen die Mitarbeiter  beim Abzählen der Produkte.

Fast acht Stunden arbeitet die Gruppe jeden Tag. Es gibt jedoch auch Mitarbeiter, die diese lange Zeit nicht durchhalten und deshalb früher gehen dürfen. „Viele Beschäftigte wohnen in den Wohnstätten, die teilweise direkt an die Werkstatt anschließen. Sie fahren oft in die Stadt, um auch mal etwas anderes zu sehen. Die Mitarbeiter können einmal in der Woche arbeitsbegleitende Angebote wahrnehmen, wie zum Beispiel kreative und musische Kurse, sportliche Aktivitäten, lebenspraktisch unterstützenden Unterricht oder kulturelle Veranstaltungen. Ansonsten gibt es für jeden 30 bis 35 Tage Urlaub im Jahr“, sagt Großer. In Ihrem Urlaub können die Beschäftigten frei planen, oder das Freizeit- und Urlaubsangebot der Lebenshilfe nutzen.

„Ich hatte früher schon Kontakt zu Menschen mit Beeinträchtigungen. Die Zusammenarbeit hat mir immer gefallen. Die Arbeit hier ist eine echte Bereicherung. Es gibt jedoch auch Schicksale, die man nicht mit nach Hause nehmen sollte. Was mir am meisten gefällt ist einfach diese Herzlichkeit und Ehrlichkeit, die man empfängt“, sagt der 49-Jährige. Der gelernte Zimmermann wechselte nach acht Jahren in der Bundeswehr in den Straßentiefbau. Nach einer Umschulung zum Arbeitspädagogen nahm er die Stelle bei der Lebenshilfe Helmstedt-Wolfenbüttel an und arbeitet seit fünf Jahren als Gruppenleiter. In dieser Position muss man auch eine Bezugsperson sein. „Die Betreuten können jederzeit zu mir kommen und mir von ihren Sorgen oder ihrem Ärger berichten. Wir versuchen dann, gemeinsam eine Lösung zu finden. Es kommt bei Personen mit einer Persönlichkeitsstörung öfter einmal zu Schwierigkeiten, doch das gehört zum Alltag“, berichtet Großer.

Größere Probleme oder Unzufriedenheiten können über den Werkstattrat an die Leitung weitergegeben werden. Der Werkstattrat besteht aus sieben Mitarbeitern aus Helmstedt und Wolfenbüttel, die sich regelmäßig zu Sitzungen mit dem Sozialdienst und anderen Instanzen zusammensetzen. Christian Dichtl ist seit einem Jahr im Werkstattrat vertreten. Auch er gehört zur Gruppe um Burghard Großer. „Ich arbeite seit 12 Jahren bei der Lebenshilfe“, erklärt der 28-Jährige. „Die Arbeit hier macht mir sehr viel Spaß. Am liebsten arbeite ich an der Herstellung der Pianoböden mit den Klavierpedalen. Gerade steht zwar das Verpacken der Grillanzünder auf dem Plan, aber da muss man durch.“  Dichtl lebt Zuhause bei seinen Eltern. Er geht gern ins Kino, spielt am Computer und fährt gern Fahrrad. Trotz Behinderung ist er ein sehr selbstständiger Mensch. „Vier Wochen lang arbeitete ich bei Nordharz im Rahmen eines Praktikums. Es hat mir dort sehr gefallen. Doch mein Umfeld hier ist auch gut. Ich mag meine Kollegen und meine Kollegen mögen mich.“