Ein etwa drei Jahre währender Modellversuch des Landes Niedersachsen zur Förderung integrativer Krippen ist jetzt beendet worden. „Damit haben sich die Bedingungen hier deutlich verschlechtert“, ärgert sich Anke Bach, Leiterin der integrativen Krippe der Lebenshilfe in Wolfenbüttel. Und Rita Gardlo, Leiterin der Helmstedter Lebenshilfe-Krippe, ergänzt: „Die Einrichtungen, das Personal und die Eltern sind verunsichert. Wir wissen alle nicht, wie es genau weitergeht.“
Der Modellversuch der Landesministerien für Bildung und für Soziales stellte sicher, dass integrative Krippen mit zwölf Kindern von drei Erzieherinnen betreut werden – einer davon mit heilpädagogischer Zusatzausbildung. In Regelkrippen gilt die Verteilung: 15 Kinder und zwei Erzieherinnen. In der integrativen Krippe war somit stets eine heilpädagogische Fachkraft während der gesamten Betreuungszeit für die Kinder in der Gruppe anwesend.
„Jetzt wurde diese Zeit auf zehn Stunden pro Woche pro behindertem Kind reduziert“ berichtet Gardlo. Bei zwei Kindern seien es 25 Stunden. Darin seien auch Besprechungs- und Verfügungszeiten enthalten. „Das ist absurd. Integration von 9 bis 11 Uhr funktioniert nicht“, so Bach. Als Beispiel nennt die Pädagogin ein anderthalb Jahre altes Mädchen mit Down-Syndrom, das jetzt zum neuen Kindergartenjahr in der Wolfenbütteler Krippe hinzugestoßen ist. „Das Mädchen hat den ganzen Tag Förderbedarf“, so Bach. „Die Politik hat offenbar nicht verstanden, worum es geht“, nämlich, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich alle Kinder entwickeln können. „Und es geht um gemeinsames Lernen in Alltagssituationen – das ist in der Politik nicht angekommen“, beschwert sich Gardlo.
Nach der neuen Regelung wird der Förderbedarf nach der Anzahl der behinderten Kinder pro integrativer Gruppe berechnet.Ein weiteres Problem, was so entsteht, ist die Personalplanung der Träger. Heilpädagogische Fachkräfte sind Erzieherinnen, die eine Zusatzausbildung absolviert haben. „Wer eine solche Qualifikation hat, will auch einen angemessenen Arbeitsplatz“, erklärt Bach. Es sei ohnehin schwierig derartige Mitarbeiter zu finden. Umso schwieriger werde es, wenn man den möglichen Kandidaten dann nur 20-Stunden-Stellen oder gar weniger anbieten kann.
Gardlo sieht viele Widersprüche in der neuen Regelung: „Einerseits sprechen alle von Inklusion, andererseits teilen wir jetzt heilpädagogische Kräfte in Minuten auf.“ Dabei könne man doch eben in Krippen gut mit Inklusion beginnen, so Bach. „Da geht es noch nicht um Leistung.“ Was in integrativen Kindergärten gelte, sollte Krippenkindern auch zustehen, fordern die Einrichtungsleiterinnen. Sonst werde, eine willkürliche Altersgrenze gezogen.
Ein weiteres Ärgernis für die zwei Einrichtungsleiterinnen: Zwar wurden die Modellversuche landesweit in den Krippen wissenschaftlich begleitet, die Ergebnisse seien bisher jedoch unter Verschluss gehalten und nicht veröffentlicht worden. „Dabei haben die Voraussetzungen des Modellversuchs wirklich gute Bedingungen geschaffen“, sagt Bach. Mit den jetzigen Landesmitteln ließen sich diese Bedingungen in integrativen Krippen nicht aufrechterhalten. Die Lebenshilfe Helmstedt-Wolfenbüttel stehe jedoch weiterhin hinter der Integration für Kinder unter drei Jahren.