Neue Werkstatt in Haldensleben eröffnet

Sie stellt einen weiteren Meilenstein in der Entwicklung der Lebenshilfe Ostfalen dar – und sie war eine Herzensangelegenheit für deren Anfang des Jahres verstorbenen Geschäftsführer Horst Hüther: Die neue Werkstatt PRO in Haldensleben, in der nun 29 Beschäftigte arbeiten, und die kürzlich offiziell eröffnet wurde.

Hüthers Nachfolger als Geschäftsführer, Bernd Schauder, blickte in seiner Ansprache gern auf die Entstehungsgeschichte der Einrichtung zurück: „Horst Hüther hatte seinen ,Leuten‘ diese Werkstatt versprochen, und wir freuen uns, dass er es letztes Jahr noch erleben durfte, wie sie fertig gestellt wurde.“ PRO ist die mittlerweile fünfte Werkstatt der Lebenshilfe Ostfalen.

Werkstattleiterin Heike Schich freute sich ebenso wie Geschäftsführer Bernd Schauder (links) über den Schlüssel, den sie vom Architekten Volker Seidl für die neue Einrichtung PRO in Haldensleben bekamen.

 

Dabei stehen die drei Buchstaben für Produktion Rehabilitation Ostfalen, und dahinter verbirgt sich eine Einrichtung für seelisch erkrankte Menschen. „Wir haben hier momentan verschiedene Arbeitsangebote. So gibt es den Bereich Hauswirtschaft, eine Wäscherei und Nassreinigung sowie einen Montagebereich“, erklärt Werkstattleiterin Heike Schich. Während in der Montage hauptsächlich Teile für die Autozulieferindustrie bearbeitet werden, richtet sich die Wäscherei an Firmen- und Privatkunden. „Neben dem Arbeitsbereich bieten wir einen Berufsbildungsbereich an.“

Bei den seelischen Erkrankungen verzeichnet Schich einen dynamischen Anstieg. „Der Bedarf an solchen Plätzen wächst ständig. Und das merken gerade wir, weil die PRO die einzige Einrichtung dieser Art im Umkreis ist.“ Ein geregelter Lebensrhythmus mit festen Arbeitszeiten und sozialen Kontakten am Arbeitsplatz sei aber unheimlich wichtig. „Sonst ziehen sich die Erkrankten immer weiter zurück, und das wäre kontraproduktiv für ihren Heilungsverlauf.“

Diesen Zusammenhang unterstrich auch Rene Grummt. Der Psychiatriekoordinator des Landkreises Börde hielt den Fachvortrag bei der PRO-Eröffnung und erläuterte, wie Arbeit und seelische Gesundheit von einander abhängen: „Wer eine Arbeit hat, die ihn ausfüllt und ihm das Gefühl gibt, gebraucht zu werden, der steht mitten im Leben, der verfügt über soziale Kontakte und ist selbstbewusst – Eigenschaften, die gut sind für das seelische Gleichgewicht und Wohlbefinden.“

Das habe die Lebenshilfe verstanden, versicherte Schauder. „Anfangs wurde der Versuch unternommen, die Eingliederung von seelisch erkrankten Menschen in einer Werkstatt mit überwiegend geistig behinderten Menschen vorzunehmen.“ Mit zunehmender Praxis stellte man fest, dass die Förderung dieses Personenkreises in dafür speziell ausgestatteten und konzeptionell anders ausgerichteten Werkstätten erfolgreicher war.

Doch der Geschäftsführer fand auch kritische Worte. „Wenn wir den offiziellen Verlautbarungen und Meldungen aus Politik und Presse Glauben schenken, dann ist es mutig, in der heutigen Zeit eine Einrichtung wie eine Werkstatt zu eröffnen.“ Seit Jahren versuche man, aus dem Etat der Werkstätten Gelder für sogenannte „Arbeitspolitische Maßnahmen“ herauszuschneiden. „Den Werkstätten wird vorgeworfen, sie seien zu teuer und der Anstieg der Pflegesätze nicht mehr zu finanzieren. Dabei sind es nicht die Kosten der einzelnen Plätze sondern die Anzahl der Plätze, die wächst – und damit das Gesamtvolumen der Ausgaben.“

Leider gebe es in Sachsen-Anhalt immer noch keine gültigen Leistungsvereinbarungen für Werkstätten und andere Einrichtungen. „Ohne Leistungsvereinbarung gibt es auch keine Vergütungsvereinbarungen. Das erschwert unsere Arbeit und die Finanzierung der Einrichtungen.“ Ob die Beteiligten auf dem Verhandlungsweg weiterkommen, könne er nicht sagen. „Zur Not werden wir die Ansprüche vor den Gerichten geltend machen.“

Die Bundesrepublik Deutschland sei mit Zustimmung der Bundesländer der UN-Konvention für die Rechte behinderter Menschen mit großer Begeisterung beigetreten. „Doch offensichtlich ist es noch ein weiter Weg bis zur Realisierung.“ Die Kostenträger sähen in der Inklusion häufig nur die Normalisierung und damit die Hoffnung auf Kostenersparnis nach dem Motto „Normal sein kostet nichts“.

Dass Inklusion in der Konvention anders gemeint sein könnte, werde schlicht und einfach verdrängt, so Schauder. „Man wird nicht alle geistig oder seelisch behinderten Menschen ambulant versorgen können, schon gar nicht zu den Preisvorstellungen unserer Sozialagentur.“ Vermutlich würden letztlich Gerichte entscheiden müssen, was die Teilhabe eines behinderten Menschen kostet.

Für die neue Werkstatt PRO lagen die Gesamtkosten bei mehr als 1,2 Millionen Euro. „Gefördert wurde der Bau durch Zuschüsse des Landkreises Börde, der Stadt Haldensleben und Mitteln der Aktion Mensch. „Den Förderern sei von dieser Stelle ein herzliches Dankeschön für die Unterstützung gesagt.“ Doch die Aufgaben der Lebenshilfe Ostfalen seien damit noch nicht beendet. Zum Beispiel sei Anfang Mai die Außenstelle der Werkstatt Seehausen in Betrieb gegangen. „Diese neue Einrichtung war notwendig, da unsere dortige Werkstatt aus den Nähten geplatzt ist, denn sie ist als eine Einrichtung mit 60 Plätzen gebaut und war mit mehr als 100 Beschäftigten belegt.“

Börde-Landrat Hans Walker lobte das soziale Engagement der Lebenshilfe. „Sie ist nicht einfach nur ein Dienstleister. Das war auch der Grund, warum sich der Landkreis an diesem Vorhaben beteiligt hat.“ Der Landkreis sei dankbar, dass es Träger wie die Lebenshilfe gebe, die sich solchen Herausforderungen stelle.

Das sah Haldenslebens Bürgermeister Norbert Eichler ähnlich. Und er betonte den Stellenwert der neuen Werkstatt. „Die PRO ist nun eine weitere Einrichtung für Menschen, die sonst keine Beschäftigung finden würden.“

PRO ist die fünfte Werkstatt der Lebenshilfe Ostfalen.