Vom Frühchen zur Persönlichkeit

 

Er kam drei Monate zu früh auf die Welt und wog bei der Geburt gerade mal 640 Gramm. Die Eltern fürchteten um sein Leben. Jetzt ist Luca ein gesundes vierjähriges Kind. Nur die Entwicklung weise noch Rückstände auf. Daher lernt er regelmäßig spielerisch in der Frühförderung der Lebenshilfe Wolfenbüttel Neues dazu.

Rund 8000 sogenannte Frühchen kommen jedes Jahr in Deutschland zur Welt. Komplikationen erhöhen die Sterbewahrscheinlichkeit der Frühgeborenen kurz nach der Geburt. Die Gefahr ist groß, dass Hirnblutungen später zu Behinderungen führen. Oft treten Sehstörungen auf.

Gina-Marie begleitet ihren Bruder Luca in die Frühförderung zu Hedwig Schumacher-Kreienbrink

 

Traute Prüß, die Leiterin der Frühförderung Wolfenbüttel: „Bei Frühgeburten besteht häufig Entwicklungsrückstand. Viele Kinder holen diese Rückstände bis zu Einschulung auf. Bei manchen bleiben aber auch Behinderungen.“ Oft helfe es, einfach Geduld zu haben, sagt Jeanette Borchardt, Lucas Mutter. „Da ich Erzieherin bin, wusste ich sofort, dass uns Frühförderung zusteht“, erklärt die zweifache Mutter. Der Landkreis Wolfenbüttel fördere ein solches Angebot nach Absprache mit dem Gesundheitsamt. Schon bei der Antragstellung steht Prüß beratend zur Seite. „Viele Eltern wissen doch gar nicht, dass ihnen diese Förderung zusteht.“

Kirsten Imbriani hat beispielsweise den entscheidenden Hinweis von ihrem betreuenden Kinderarzt Dr. Hans-Peter Loch aus Wolfenbüttel bekommen. Ihr Sohn Matteo kam in der 33. Schwangerschaftswoche zur Welt. Er wog 1225 Gramm und blieb nach der Geburt noch sechs Wochen auf der Intensivstation. „Allerdings gab es bei ihm keine weiteren Komplikationen“, sagt sie. Jetzt ist Matteo sieben Monate alt und lernt zurzeit beidhändiges Greifen oder sich vom Bauch auf den Rücken zu drehen. Dabei unterstützt ihn Ulla Drobny, eine von acht Pädagoginnen im Wolfenbütteler Frühförder-Team. Matteo sei sehr aufnahmebereit und spiele gerne, sagt seine Mutter.

Matteo macht Übungen in der Rückenlage, rechts Ulla Drobny.

Auch Niklas Stucki habe sich sehr gut entwickelt, sagt Bianca Stucki. Inzwischen geht der Dreijährige in den Heilpädagogischen Kindergarten der Lebenshilfe Wolfenbüttel. „Er wirkt als Ruhepol in der Gruppe der anderen Kinder“, sagt der betreuende Erzieher Wolfgang Titz. Niklas ist besonders früh zur Welt gekommen: Als 580-Gramm leichtes Frühchen erblickte er bereits nach der 24. Woche das Licht der Welt. Bereits drei Tage später musste er die erste Operation über sich ergehen lassen. Er habe starke Hirnblutungen gehabt und einen künstlichen Darmausgang bekommen, erklärt die Mutter. Niklas gilt als schwerstmehrfachbehindert. „Die OPs kann ich gar nicht mehr alle aufzählen“, sagt seine Mutter. Obwohl sie Angst hatte, wieder Komplikationen zu erleben, entschied sie sich, ein weiteres Kind zu bekommen. „Seit der kleine Bruder da ist, entwickelt sich auch Niklas viel schneller“, sagt Bianca Stucki freudestrahlend. 

Niklas Stucki (links) mit seiner Mutter Biance und dem kleinen Bruder Leo.

Bis zu 90 Kinder im Vorschulalter betreut die Frühförderung der Lebenshilfe Wolfenbüttel.Teils bringen die Eltern ihre Kinder in die Räume des neuen Pädagogischen Elementarzentrum an der Lindener Straße.  Hier finden auch Förderkreise zur Vorbereitung eines Kindergartenbesuchs statt.. „Doch überwiegend arbeiten wir mobil, das heißt bei den Familien zu Hause“, erklärt Hedwig Schumacher-Kreienbrink von der Frühförderung.

„Die ganzheitliche heilpädagogische Förderung steht bei uns im Vordergrund“, erklärt Prüß. Dabei  soll  das  Lebensumfeld des Kindes  berücksichtigt werden   Die Zusammenarbeit mit  Eltern  und die Einbeziehung von  Geschwistern  spielen eine wichtige Rolle. Zentraler Punkt ihrer Arbeit sei es, die Frühchen auf ihrem Weg zur Entwicklung der Persönlichkeit zu unterstützen. Durch Bewegungs- und  Wahrnehmungsangebote erfahren die Frühchen Selbstbewusstsein und Handlungsfähigkeit, betont Prüß. „Wir wollen hier die Grundlagen legen, dass ein Kind sich akzeptiert fühlt und ein glückliches Leben führen kann.“