Eine Rollstuhlfahrerin berichtet über die Barrieren in der CGLS

Natalia Reich steht regelmäßig vor Hürden, die nicht unüberwindbar sind, ihr aber das Leben schwer machen. Die 20-Jährige besucht als Beschäftigte der Lebenshilfe Wolfenbüttel einmal pro Woche die Carl-Gotthard-Langhans-Schule, um ihre Berufsschulpflicht zu erfüllen. Sie plant, dort auch ihren Hauptschulabschluss nachzuholen. Doch der Rollstuhlfahrerin stellen sich jedes Mal zahlreiche Barrieren in den Weg: schwerfällige Türen und Treppen mit hohen Stufen beispielsweise. Bei einem gemeinsamen Treffen mit dem Schulleiter Peter Walte, der stellvertretenden Schulleiterin Martina Reinhardt sowie Axel Koßmann von der Lebenshilfe und Klaus Bätcke als Behindertenbeauftragter der Stadt Wolfenbüttel hat Reich jetzt ihre Probleme geschildert.

Ab hier ist für Natalia Reich Endstation. Die Treppe zu den Werkräumen ist für sie ein unüberwindbares Hindernis. Axel Koßmann (von links), Klaus Bätcke, Martina Reinhardt und Peter Walte können das nur bestätigen.

 

Diese beginnen bereits am Schuleingang. Die schwerfälligen Türen sind für Reich ein Hindernis. Mit athletischem Eifer schafft sie es gerade so, alleine diese zu öffnen und sich im Rollstuhl darum herum zu schwingen. „Für andere ist das vielleicht sogar noch eine größere Hürde‟, sagt die 20-Jährige, die lange Zeit Rollstuhl-Basketball gespielt hat und sich bei vielen Barrieren mit ihrer Sportlichkeit weiterhilft.

 

Um von der ersten zur zweiten Ebene zu gelangen, muss Reich mehrere Absätze mit Stufen bewältigen – ohne Hilfe fast unmöglich. Klar, könne sie sich von Mitschülern tragen lassen. „Das empfinde ich trotzdem als Diskriminierung. Ich lasse mich auch nicht von jedem tragen‟, sagt sie selbstbewusst. Manchmal spricht sie auch Mitschüler an, damit die ihr beispielsweise etwas zu essen aus der Cafeteria mitbringen. Sie weiß sich ja zu helfen, „aber ich denke auch daran, dass es anderen vielleicht schwerer fällt, um Hilfe zu bitten.‟

In den Schulküchen – Natalias Lernbereich – sind die Arbeitsplatten und Herde zudem zu hoch, als dass Rollstuhlfahrer dort barrierefrei arbeiten könnten. Um von den Küchen zu einer der zwei barrierefreien Toiletten der Schule zu gelangen, muss die Schülerin eine kleine Odyssee außen um das ganze Schulgebäude herum hinter sich legen. Auch hier sind ihr schwerfällige Türen im Weg, die sie sich oft von Helfern aufhalten lässt. Die Werk- und Computerräume sind ihr fast gänzlich verschlossen – eine steile Treppe mit vielen Stufen ist hier die einzige Zugangsoption.

CGLS-Schulleiter Walte ist das Problem seit langer Zeit bekannt. „Wir haben hier ein Riesengelände mit Hanglage, daher gibt es viele Bereiche, die mit Stufen verbunden sind. Das Gebäude wurde in den 1950ern gebaut‟, gibt Walte zu bedenken. Die Schulleitung befinde sich schon seit einigen Jahren im Gespräch mit der Landkreisverwaltung. Im Budget haben jedoch oftmals andere bauliche Maßnahmen eine höhere Priorität, berichtet Walte und verweist als Beispiel auf den Brandschutz. So würden Umbaumaßnahmen für die Barrierefreiheit oftmals verschoben.

Der Schulleiter erzählt, dass es immer wieder Anfragen von Rollstuhlfahrern gebe, die die Schule gerne besuchen würden, sich aber nach einem ersten Besichtigungstermin für eine andere Option entscheiden. Dabei sei insbesondere die Kooperation mit der Lebenshilfe eine wichtige Erfahrung für alle Schüler und Lehrer der CGLS, betont Walte. „Das hat einen hohen Lerneffekt für alle Menschen ohne Behinderung‟, so Walte.

„Es darf aber nicht sein, dass jemand seinen Schulabschluss nicht machen kann, weil er im Rollstuhl sitzt‟, betont Axel Koßmann vom Sozialdienst der Lebenshilfe. „Außerdem muss es gemeindenahe Lösungen geben. Ein Rollstuhlfahrer sollte nicht nach Hannover fahren müssen, nur weil es da eine barrierefreie Schule gibt.‟ Natalia Reich habe ein großes Potenzial, betont Koßmann. Eine Aufgabe der Lebenshilfe sei es, dies zu fördern. Auch ihre bisherigen Lehrer an der CGLS bescheinigen, dass sie den Schulabschluss schaffen könnte. Reich ergänzt, dass sie zunächst weiterhin in der Lebenshilfe-Werkstatt gefördert werden möchte, um mit Unterstützung der Therapeuten in den allgemeinen Arbeitsmarkt integriert zu werden.

Auch Walte sieht das so. „Für Natalia brauchen wir jetzt erst mal eine kurzfristige Lösung‟, sagt er. Barrierefreiheit auf einen Schlag könne in so alten Schulgebäuden ohnehin nicht umgesetzt werden. Um Natalia Reich den Zugang zu den Unterrichtsräumen zu ermöglichen, soll jetzt möglichst bald ein Treppen-Lift installiert werden. Das wäre eine schnelle und machbare Lösung, bei der auch die Kosten überschaubar wären. Dies kann aber nur der Anfang sein. Da waren sich alle Beteiligten einig.

 

 

 

 

 

 

 

 

Peter Walte (von links), Axel Koßmann und Klaus Bätcke begutachten zusammen mit Natalia Reich die Arbeitsflächen in der Küche.