Lebenshilfe räumte symbolisch Barrieren aus dem Weg

Helmstedt. Da war endlich mal wieder richtig Remmi-Demmi auf dem Markt in Helmstedt. Passend zum Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung hatte die Lebenshilfe eine publikumswirksame Aktion geplant, in deren Mittelpunkt die „Mauer der Barrieren“ stand. Diese Papp-Installation sollte schrittweise mit vielen Problemzetteln und Wünschen der Lebenshilfe-Beschäftigten beklebt werden – und schließlich in einer gemeinsamen Anstrengung zu Fall und somit symbolisch aus dem Weg geräumt werden.

Da Ganze war ein Hingucker, und viele Passanten blieben stehen. Sie waren sicher auch akustisch schon lange auf das Treffen aufmerksam geworden, denn Protest darf laut sein: Um sich und ihrem Anliegen Gehör zu verschaffen, hatte die Lebenshilfe für ein entsprechendes Rahmenprogramm gesorgt. Die Trommelgruppe Banda Racunda aus Barmke sorgte für den nötigen Rhythmus. Außerdem ertönte immer wieder das Röhren starker Motorräder: Die Gruppe „Bikers against child abuse“ (Baca) aus Schöningen hatte sich mal wieder für einen Shuttle-Dienst zur Verfügung gestellt. Ergänzt um einige Zweirad-affine Lebenshilfe-Mitarbeiter, pendelten die Vereinsfahrer zwischen der Werkstatt Beendorfer Straße und dem Markt hin und her, um einige ausgewählte der insgesamt 350 Beschäftigten der Lebenshilfe Helmstedt mitzubringen.

Kurz vor dem Fall der „Mauer der Barrieren“, die inzwischen von den Lebenshilfe-Beschäftigten mit vielen Problemzetteln und Wünschen beklebt worden war.

„Wir wollen heute auf einige typische Barrieren hinweisen, die das Leben der Menschen mit Behinderung im Tagesgeschäft so schwierig machen“, erklärte Dajana Weidemann vom Organisationsteam. Vieles falle den Menschen ohne Behinderung im Alltag gar nicht auf – oder sie hätten sich schlicht daran gewöhnt. Da gelte es, immer wieder den Finger in die Wunde zu legen: „Nicht die Menschen sind behindert, sondern die Umwelt behindert sie.“

Schwere Maschinen fuhren auf dem Markt in Helmstedt vor und brachten Beschäftigte der Lebenshilfe mit. In der Mitte Markus „Samson“ Murgia aus Schöningen.

Die Lebenshilfe hatte im Vorfeld (gefördert durch die Aktion Mensch) eigens „Barriere-Checker“ ausgesandt, die sich auf die Suche machten und die Ergebnisse dann zu Papier brachten – als Text oder als Zeichnung. Da kam doch einiges zusammen auf der „Mauer der Barrieren“: Alle Stolperfallen müssen weg. An Geldautomaten und in der Behördenpost soll leichte Sprache verwendet werden, „damit wir wissen, was gemeint ist“. Gaststätten und Werkstätten müssen standardmäßige Behindertentoiletten bekommen. Bordsteinkanten sollen überall abgesenkt werden, weil sie zu hoch sind für Rollstühle und Rollatoren. Und schließlich ein genereller Appell zum Umdenken an die Gesellschaft: „Man wird nicht ernst genommen, nur weil man anders ist.“

Über diese Resonanz freute sich Dajana Weidemann sehr. „Und dass wir voriges Jahr mit der inklusiven Eiskarte im Eiscafè Dolomiti schon eine erste Barriere eingerissen haben, finde ich auch ganz prima.“ Übrigens erwähnte sie am Rande, dass die Zusammenarbeit mit dem Verein Baca schon seit Jahren erfolgreich laufe, dass aber längst nicht jeder Biker einfach so jemanden mitnehmen dürfe. „Man braucht dafür ein polizeiliches Führungszeugnis und ganz sicher auch ein großes Maß innerer Ruhe, um unerfahrene Beifahrer mitzunehmen.“

Die Trommelgruppe Banda Racuda aus Barmke sorgte für Rhythmus vor der „Mauer der Barrieren“, die auf dem Markt errichtet worden war.

Das bestätigte Markus „Samson“ Murgia, der schon vor fast zehn Jahren dabei war, als sich die Baca-Gruppe in Schöningen gründete. Mit seiner Suzuki brachte er diesmal nach und nach mehrere Personen zum Markt. „Endlich konnten wir wieder mitmachen“, erklärte er. Der letzte ähnliche Einsatz lief vor zwei Jahren bei der Lebenshilfe in Wolfenbüttel, dann kam Corona. „Schön dass es jetzt geklappt hat. Es macht Spaß mit den Kindern, und ihr Lächeln zu sehen, ist für uns schon Dank genug.“ Die Kennzeichen wiesen die breite Basis des Vereins aus: Da standen Maschinen aus Helmstedt, Braunschweig, Wolfenbüttel, Oschersleben und Salzgitter in der Fußgängerzone.

Beim Einreißen der Mauer allerdings spielten die Motorräder keine Rolle. Da waren die „Barriere-Checker“ ganz in ihrem Element und brauchten nur wenige Sekunden, um das Bauwerk zu Fall zu bringen. Wenn es mal mit den täglichen Barrieren genauso leicht ginge.

Zum Bild: Großer Jubel bei den Lebenshilfe-Beschäftigten, als die Barrieren symbolisch aus dem Weg geräumt worden waren. Im Hintergrund das Helmstedter Rathaus. Fotos: Lebenshilfe