Bundesteilhabe-Gesetz sorgt für Unmut

Das in Planung befindliche Bundesteilhabe-Gesetz (BTHG) sorgt nach wie vor für Unruhe. Während vor kurzem rund 100 Menschen von den Lebenshilfe-Vereinen Wolfenbüttel, Helmstedt und Ostfalen gemeinsam mit anderen Gruppen aus dem Bundesgebiet vor dem Brandenburger Tor demonstrierten, gab es jetzt auch Kritik während der Jahresversammlung in Wolfenbüttel. Bei der Novellierung der Eingliederungshilfe solle gegeizt werden, beklagte Lebenshilfe-Sprecher Axel Koßmann, „aber wie.“

Und Koßmann legte Zahlen nach: „Von den versprochenen fünf Milliarden Euro für die Verbesserung der Lebenssituation behinderter Menschen sind gerade mal 750 Millionen übrig geblieben, also gerade mal 15 Prozent.“ Ursprünglich sollte dieses Geld den Kommunen zur Verfügung gestellt werden. „Da sich Bund, Länder und Kommunen nicht einigen können, werden diese 750 Millionen wohl auch im allgemeinen Haushalt versanden.“

Der Saal der Lebenshilfe-Verwaltung am Blauen Stein war gut besucht bei der Jahresversammlung.

 

Abschließend forderte Koßmann im voll besetzten Versammlungsraum der Lebenshilfe-Verwaltung am Blauen Stein: „Das BTHG muss sich auf die Bedürfnisse der Menschen mit Behinderung ausrichten und darf nicht einzig der Kostenreduzierung dienen.“

Für sein Engagement im Jubiläumsjahr „50 Jahre Lebenshilfe Wolfenbüttel“ erhielt Koßmann im Anschluss vom Vereinsvorsitzenden Klaus Bätcke einen Präsentkorb. „Sowohl Verein als auch Werkstatt können stolz sein auf dieses Jubiläum“, unterstrich Bätcke. Gleichwohl sei die Gesellschaft noch weit entfernt von dem Ziel, Menschen mit Behinderung anzuerkennen und ihnen Teilhabe zu gewähren in den relevanten Bereichen Bildung, Arbeit, Freizeit und Wohnen.

Gerade in puncto Arbeit seien weite Bereiche in Deutschland nach wie vor abgeschottet: „Arbeitsmarkt und freie Wirtschaft sollten sich viel mehr öffnen“, forderte der Vorsitzende, „doch das Profitdenken in den Betrieben steht dem immer noch im Wege.“

In seinem Bericht über die Einrichtungen der Wolfenbütteler Lebenshilfe freute sich Bätcke, dass im pädagogischen Elementarzentrum an der Lindener Straße umfassende Beratungs- und Behandlungsmöglichkeiten gegeben seien. „Frühförderung und Elementarbereich sind gut belegt und für ihre gute Arbeit im gesamten Landkreis bekannt.“

In der so genannten Tagesstruktur werde sich die Lebenshilfe Gedanken um einen Neubau machen müssen. Dort werden in einem Teil des Wohnheims am Blauen Stein zehn Personen betreut, die nicht mehr in der Lage sind, den ganzen Tag in einer Werkstatt zu arbeiten. „Damit sind wir auch dort belegt, doch der Bedarf wird in den nächsten Jahren altersbedingt zunehmen.“

Geschäftsführer Bernd Schauder ergänzte den Bericht aus Sicht der gGmbH, die im Jahr 2015 rund 25 Millionen Euro Umsatz machte. „Derzeit haben wir in unserer Gesellschaft 1300 Plätze, 360 Angestellte sowie 50 Übungsleiter und zwei Auszubildende.“ Hinzu kommen die Service GmbH mit 37 Angestellten und die ambulanten Dienste (14 Angestellte, 56 ehrenamtliche Übungsleiter). „Die Gesellschaft ist wirtschaftlich als gesund zu bezeichnen“, unterstrich Schauder, den es besonders freute, dass dieser Tage die Wohneinrichtung an der Schillerstraße in Bau geht. „Da hatten wir doch einige Auflagen zu erfüllen, die das Projekt verzögert haben.“

Abschließend legte Jennifer Langhoff einen selbstbewussten Bericht ihres noch recht jungen „Familienunterstützenden Dienstes“ (FUD) vor. „Wir haben schon 111 Klienten, die wir mit 23 ehrenamtlichen Mitarbeitern betreuen“, sagte sie, „14 weitere stehen auf der Warteliste.“ Allein elf Pflegestufenanträge half der FUD im vergangenen Jahr auszufüllen. „Alle wurden bewilligt.“

Auf riesiges Interesse stieß offenbar die erstmals angebotene Kinder-Ferienbetreuung. „Wir haben prompt die ersten Voranmeldungen für 2017 bekommen“, lachte Langhoff, „im Grunde ist es den Familien egal, in welchen Ferien wir etwas anbieten werden.“ In dieselbe Richtung geht das Interesse der Wilhelm-Raabe-Schule, der eine Kooperation für ein inklusives Ferienangebot vorschwebt. „Egal zu welchem Angebot“, erklärte die FUD-Leiterin, „die Eltern rennen mir die Bude ein.“

 

 Der Lebenshilfe-Vereinsvorstand (von links):  Uwe Thomas, Stephanie Schacht, Elisabeth Diekmann, Vorsitzender Klaus Bätcke, Dr. Joop van den Heuvel und Carsten Voges.