Von der Fürsorge zur Inklusion – 50 Jahre Lebenshilfe

Vor 50 Jahren, am 29.11.1965, wurde von engagierten Eltern die „Lebenshilfe für das geistig behinderte Kind e.V.“ in Helmstedt gegründet. Dieser Geburtstag ist für die Lebenshilfe etwas ganz besonderes und ein Grund zur Freude und Dankbarkeit. 

Vor fünf Jahrzehnten haben die Gründungsmitglieder nicht im Traum daran gedacht, wie sich die Hilfe und die Angebote für Menschen mit einer Behinderung positiv entwickeln werden. Viele Eltern waren verzweifelt, weil es keine Unterstützungsangebote gab. Sie hatten Angst, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Ablehnung und Unverständnis innerhalb der Gesellschaft führten zu Ausgrenzung und Rückzug. Einzig Großeinrichtungen und Psychiatrien verwahrten unter teils menschenunwürdigen Verhältnissen Menschen mit Behinderung. Ärzte sprachen von angeborenem Schwachsinn, geistiger Retardierung oder Debilität und machten den Betroffenen keinerlei Hoffnung. 

Mit dieser Situation wollten sich nicht alle Eltern abfinden. Über das Kreissozialamt wurden erste Kontakte geknüpft. Eine Mutter schrieb einen Brief an Tom Mutters, den Gründer der Bundesvereinigung Lebenshilfe, mit der Bitte um Unterstützung. Tom Mutters hat sehr schnell geantwortet und so gestaltete sich ein Briefwechsel, der den Eltern beschrieb, wie eine Kreisvereinigung zu gründen sei und welche Regularien zu beachten sind. 

 

Am 29. November 1965 wurde dann offiziell in der Kreisberufsschule Helmstedt im Beisein von Vertretern der Stadt und des Landkreises, der Schulaufsichtsbehörde, der evangelischen Kirche, der Presse und ca. 80 Anwesenden die Ortsvereinigung Helmstedt gegründet. Zum 1. Vorsitzenden wurde der Lehrer Heinz- Günther Niemann aus Schöningen gewählt. Bereits in dieser ersten Zusammenkunft wurde über verschiedene Möglichkeiten der Betreuung von behinderten Kindern diskutiert. Primär ging es darum, „Räume und Einrichtungsgegenstände für die Lebenshilfe zu schaffen und geeignete Kräfte zur Betreuung der Kinder zu finden“ (Auszug aus dem Gründungsprotokoll). 

Die ersten Räumlichkeiten wurden in der ehemaligen Schule in Alversdorf zur Verfügung gestellt. Mit einem von der Aktion Sorgenkind gespendeten VW Bulli fuhren die Mütter abwechselnd ihre Kinder zur Betreuung nach Alversdorf. Eine hauptamtliche Kindergärtnerin aus Schöningen betreute die Kinder. Für die Eltern war es ein erster Erfolg zur Teilhabe ihrer Kinder. Berichte in der Presse und besonders Beiträge der „Aktion Sorgenkind“ im Fernsehen ermutigten weitere Betroffene, sich der Lebenshilfe anzuschließen. 

Durch den Braunkohleabbau und den damit verbundenen Abriss des Dorfes erfolgte 1972 der Umzug in das ehemalige Johannis- Waisenhaus nach Helmstedt. Die Förderung jugendlicher und erwachsener Menschen mit Behinderung fand in der dortigen Tagesbildungsstätte statt. Ein erster heilpädagogischer Kindergarten wurde eröffnet. Durch die zunehmende Bürokratie ist die rein ehrenamtliche Leitung des Vereins immer aufwendiger geworden, sodass ein Verwaltungsleiter eingestellt wurde. 

Zwischen 1970 und 1980 entstehen in Helmstedt zahlreiche Angebote. Besonders Menschen mit einer schweren Behinderung finden erstmals Aufnahme in der Lebenshilfe. Die Frühförderung wird etabliert und ein Geschäftsführer wird für die 1982 neu gegründete Lebenshilfe Helmstedt- Wolfenbüttel gemeinnützige GmbH eingestellt. 1984 Fertigstellung der ersten Werkstatt mit 120 Plätzen in Helmstedt. 

In den 90er Jahren folgen die Errichtung eines Sprachheilkindergartens, eines Wohnheimes, des ambulant betreuten Wohnens, eine zusätzliche Werkstatt und ein spezielles Beschäftigungsangebot für Menschen mit einer psychischen Erkrankung, das 1998 zunächst mit der Eröffnung der Werkstatt WIR in Königslutter, ab 2002 in Helmstedt erfolgreich umgesetzt wird. Seit 2013 können Menschen mit Behinderung und deren Eltern und Angehörige den Familienunterstützenden Dienst nutzen, um für sich ganz persönlich Freiräume zu schaffen. Mit der Eröffnung des Cafe´ Fröhlich am Papenberg in Helmstedt im Mai 2015 wird ein besonderer Ort der Begegnung entstehen, wo gemeinsame Aktionen und Freizeitangebote die Vielfalt unserer Stadt untermauern sollen. 

Inklusive Projekte, wie das Cafe´Muck in Schöningen, der Qualifizierungs- und Vermittlungsdienst  für den allgemeinen Arbeitsmarkt oder die integrativen Kindergärten sorgen dafür, dass  Grenzen und Barrieren weiter abgebaut werden, es nicht mehr wichtig ist, ob jemand in unserer Gesellschaft ein Handicap hat, sondern vielmehr die gegenseitige Achtung und das gemeinschaftliche Miteinander im Vordergrund stehen. Das  Cafe´Fröhlich stellt dabei einen weiteren Mosaikstein dar,  um die Menschen einander näher zu bringen und Vielfalt zu manifestieren. 

 

Dieses Jubiläum wollen wir auch dazu nutzen, uns bei allen Menschen zu bedanken, die uns in den letzten 50 Jahren unterstützt haben. Wir danken den engagierten Müttern und Vätern, die sich unermüdlich für die Rechte ihrer Kinder eingesetzt haben, den Freunden und Förderern, die uns in unserer Arbeit bestärken, den Politikern und Verwaltungen für die  vertrauensvolle Zusammenarbeit und besonders   den uns anvertrauten Menschen, für die Wertschätzung und Dankbarkeit, die sie uns täglich entgegenbringen.

 

Wir werden uns auch zukünftig für die Rechte von Menschen mit Behinderung einsetzen und uns dort einmischen, wo es erforderlich ist. Durch die UN Behindertenrechtskonvention wurde die Bundesrepublik Deutschland und somit auch die Lebenshilfen verpflichtet, sich für ein gleichberechtigtes Miteinander einzusetzen. Diesen Weg möchten wir gemeinsam mit Ihnen allen gehen, damit Inklusion gelebt wird.