Menschen mit Behinderung im Deutschen Bundestag

 

In zwölf Arbeitsgruppen erörterten Teilnehmer gemeinsam mit Abgeordneten an zwei Tagen Probleme von Menschen mit Behinderung. Dabei hofften die Politiker fraktionsübergreifend auf eine lebhafte Diskussion während der Veranstaltung „Menschen mit Behinderung im Deutschen Bundestag“ Ende Oktober. Die 299 von den Fraktionen nominierten Menschen mit Behinderung  aus dem gesamten Bundesgebiet kamen als  „Experten in eigener Sache“ – darunter auch Kai-Richard Meyer, Andreas Cirksena und Hans-Joachim Passeier, Vertreter des Werkstattrates der Lebenshilfe Helmstedt-Wolfenbüttel, sowie Sabrina Schulze – sie ist die Vertrauensperson des Werkstattrates.

Vor Ort wurden die Delegationen im Paul-Löbe-Haus vom Präsidenten des Deutschen Bundestages Norbert Lammert begrüßt. Auch die Vorsitzenden der  Bundestagsfraktionen waren anwesend und begrüßten die Angereisten. Nach den einleitenden Worten fanden sich alle Teilnehmer zu den Arbeitsgruppen zusammen, die sich an die Paragrafen der UN-Behindertenrechtskonvention anlehnten. “Eigentlich wollten wir in die Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales, das liegt ja nahe wegen unserer Werkstatttätigkeit. Leider war sie schon voll“, erzählte Schulze. So gab es beispielsweise Workshops zu den Themen: Arbeit und Soziales, Bildung und Forschung, Gesundheit. oder Sport und Tourismus, an der die Vertreter der Lebenshilfe Helmstedt-Wolfenbüttel dann teilnahmen.

Werkstattratsmitglied Kai-Richard Meyer erklärte Schwierigkeiten, die sich bei Bahnreisen ergeben.

„Dabei ist viel herausgekommen“, betonte Kai-Richard Meyer aus der Werkstatt für Industriearbeit (WIR) Wolfenbüttel. So stand das Thema barrierefreies Reisen auf der Agenda. Ihn ärgern beispielsweise die Fahrkartenautomaten an Bahnhöfen, sie seien oftmals nicht barrierefrei und die Menüführung nur schwer verständlich. Die Lebenshilfe habe in den Diskussionsrunden stets betont, dass Barrierefreiheit je nach Behinderung etwas Anderes bedeutet. „Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung benötigen eher Schilder, die in leichter Sprache formuliert sind. Wobei Menschen mit psychischer Erkrankung fast gar nicht bedacht werden.“, erklärte Schulze. Auch das Wort behindertengerecht, wie es oft in Reisekatalogen vorkommt, wurde in den Arbeitsgruppen kritisiert. „Häufig soll das Wort ‚rollstuhlgerecht‘ bedeuten. Doch Menschen mit Behinderungen fühlen sich dadurch nicht wertgeschätzt“, gab Schulze zu bedenken. Insgesamt hätten relativ wenige Menschen mit geistiger Behinderung oder psychischen Erkrankungen teilgenommen, sodass die Delegation der Lebenshilfe häufig auf diesen Personenkreis  hinwies.

Andreas Cirksena aus der WIR Helmstedt ergänzte: „Auch barrierefreies Bauen war ein Thema. Es sollte verpflichtender Bestandteil im Architekturstudium sein.“ Der Grundgedanke, den auch die Lebenshilfe Wolfenbüttel-Helmstedt in Berlin immer wieder kommunizierte, sei: Menschen sollten gar nicht erst ausgeschlossen werden. Die Gesellschaft müsse sich anpassen. So sollen Neubauten für jeden barrierefrei konstruiert sein, nicht nur für Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind.

Auch in anderen Arbeitsgruppen wurde viel diskutiert. Die Teilnehmer der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales forderten beispielsweise mehr Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Besonders Behörden sollten mehr Menschen mit Behinderung einstellen. Die Arbeitsgruppe Bildung und Forschung verlangte, dass auf allen Bildungsebenen Chancengleichheit hergestellt wird.

„Die zwei Tage in Berlin waren erfolgreich aber auch anstrengend und stressig“, erklärte Hans-Joachim Passeier aus der WIR Helmstedt. Nachdem am ersten Tag die Sitzungen der Arbeitsgruppen beendet waren, stand eine exklusive Führung durch den Bundestag auf dem Programm. An dem Tag war das Regierungsgebäude für alle anderen Besucher geschlossen. Die Gruppe der Lebenshilfe war erst um 22 Uhr im Hotel. Am darauffolgenden Tag ging es im Paul-Löbe-Haus um 8.30 Uhr schon weiter. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen wurden den Bundespolitikern vorgestellt. „Alle Politiker haben sich die Forderungen und Wünsche angehört und haben versprochen, die Ergebnisse in künftige Diskussionen und in ihre Arbeit miteinzubeziehen“, resümierte Schulze.

Insgesamt sei es eine erfolgreiche Veranstaltung gewesen, „die nach Wiederholung schreit“, blickt Cirksena voraus. Er und seine Kollegen vertreten im Werkstattrat die Interessen der Beschäftigten in Wolfenbüttel und Helmstedt. Es gehe um viele Themen, darunter zum Beispiel Urlaub und Lohn. „Wir schlichten aber auch, wenn es mal Streit gibt“, erklärte Cirksena.

Die Ansprache der Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau wurde von einer Gebärdensprachdolmetscherin begleitet.