Wie ein Sehbehinderter ein Basketballspiel erlebt
Basketball ist ein schneller, komplexer Sport. Ellbogeneinsatz und Gerangel im Kampf um Position und Rebounds sind im einst „körperlosen Sport“ längst Usus. Viele dieser Kleinigkeiten bleiben den Augen der Zuschauer verborgen. Das große Ganze eines Basketballspiels ergibt sich aus dem, was wir mit all unseren Sinnen wahrnehmen. Doch wie nimmt man die Erlebnisse als Sehbehinderter wahr, wenn man das Spielgeschehen nicht mit den Augen, sondern nur mit den Ohren verfolgen kann? Das schildert Dirk Rohloff, der zurzeit ein Volontariat bei der Lebenshilfe Wolfenbüttel absolviert.
Der Unternehmer und angehende PR-Berater ist vielseitig interessiert. Er fährt gern Inline-Skates in seinem Heimatort Gielde und spielt Gitarre. Wenn er nicht gerade mit Blindenführhund Attila oder Taststock unterwegs ist, merkt man Dirk Rohloff kaum an, dass er beeinträchtigt ist. Der 36-Jährige erkrankte vor 12 Jahren an einer fortschreitenden Gesichtsfeldeinschränkung. Heute erkennt er lediglich noch Umrisse und Lichtunterschiede. Vor seiner Erkrankung wollte er Finanzwirt werden, doch dies war dann nicht mehr möglich. Nach einer technischen und kaufmännischen Ausbildung zwang ihn seine Krankheit zu einer blinden-technischen Ausbildung zum Physiotherapeuten.
Trotz seiner Einschränkung ist Rohloff seit 2003 erfolgreicher Unternehmer, arbeitet in der Firmengründung, Arbeitsplatzausstattung für Behinderte und führt seit Kurzem sogar einen eigenen Onlineshop. „Dank immer besser werdender Technik ist es heutzutage auch einem Blinden möglich, einen Online-Shop zu führen“, berichtet Rohloff. Sein Shop think-trendy.de wird vermehrt Produkte aus Behindertenwerkstätten anbieten. Zurzeit macht er eine Ausbildung zum PR-Juniorberater. „Aufgrund der Krankheit musste ich mich beruflich neu orientieren. Nun mache ich mein Volontariat bei der Lebenshilfe in Wolfenbüttel. Die Praktika, die zur Ausbildung gehören, kann ich frei auswählen. So kam ich dann auch zur Wolfenbütteler Lokalsportredaktion der Braunschweiger Zeitung“, erklärt Rohloff.
Rohloff schildert:
„ Ich sitze auf einer Bank hinter der Grundlinie. Unmittelbar vor mir wärmen sich die Wildcats auf, sie werfen in einem rhythmischen Zyklus auf den Korb. Ich bin erstaunt, weil das Geräusch des Balls, der durch Ring und Korbnetz fällt, mir verrät, dass kaum ein Ball das Ziel verfehlt.
Das Spiel geht los. Die Wolfenbüttelerinnen spielen zunächst in meine Richtung. ‚Wildcats, Wildcats’ feuern die Fans sie an. Überall auf dem Feld höre ich das Quietschen der Schuhe auf dem Hallenboden. Erst schnell und ganz oft. Dann Stille. Drin der Ball! Die Fans schreien begeistert auf und applaudieren. Das Getrappel der Füße entfernt sich wieder von mir. Geht es in die andere Richtung, motivieren die Fans die Spielerinnen mit ‚Defense, Defense’-Rufen zu guter Verteidigung. Kurz darauf weiß ich, dass es geholfen hat. Die Zuschauer jubeln – Ballgewinn, Gegenzug! Das Prellgeräusch des Balls kommt wieder näher. Plötzlich ein Aufschrei vom Feld, ein englisches Fluchwort. Zunächst kann ich es nicht zuordnen, glaube an ein Foul einer Rotenburgerin. Auf Nachfrage sagt mir mein Sitznachbar, dass Brianne O’Rourke, eine der US-amerikanischen Spielerinnen der Wildcats umgeknickt war und nun wohl nicht mehr weiterspielen kann.
Zwischendurch verflacht die Stimmung etwas, nur noch selten höre ich das Klatsch, Klatsch der Fans, das mir einen Wolfenbütteler Korberfolg verheißt. Rotenburg holt Punkt um Punkt auf. Am Ende aber, als die Spannung geradezu greifbar wird, kommt es mir wie Magie vor, wie Wolfenbüttels Samantha Whitcomb all ihre Freiwürfe im gegnerischen Korb versenkt. Immer wieder höre ich nur das Geräusch des Balles, der, ohne den Ring zu berühren, durch das Netz rutscht. Die Fans jubeln wieder, das genaue Resultat muss ich erfragen, aber ich weiß, dass die Wildcats bei Ertönen der Schlusssirene gewonnen haben.“