Beschäftigte der Lebenshilfe Ostfalen schreiben Gedichte zum Thema Corona

Bei der Lebenshilfe Ostfalen haben Beschäftigte der Werkstätten ihre Gefühle zum Thema Corona in Gedichte gefasst. Daraus ist unter anderem ein Jahreskalender entstanden. Ein Gedichtband ist bereits im Druck.

„März 2020. Schließzeit für alle Werkstätten. Von heute auf morgen veränderte sich für viele Menschen ein alltäglicher Rhythmus. Der durchgeplante Arbeitstag war plötzlich frei. Ohne Vorgaben. Ohne Struktur. Ohne Kontakt zu den Arbeitskollegen. Ohne das so wichtige Gefühl des Gebrauchtwerdens. Eine lange Zeit der Unsicherheit und für viele auch eine Zeit der Einsamkeit begann. Insbesondere bei Menschen, die allein leben sowie bei Menschen mit psychischen und kognitiven Einschränkungen führte die Strukturlosigkeit und der erzwungene Rückzug häufig zu einer Verstärkung ihrer Symptomatik. Andererseits war es für so manch einen auch geschenkte Zeit. Eine Zeit der Beruhigung und des Nachdenkens. In jedem Fall, genug Zeit um kreativ zu werden“, so schildert es Janin Klockmann, Psychologin der Lebenshilfe Ostfalen.

In den Werkstätten sei es eine Gelegenheit gewesen, zum Schreiben anzuregen, Fähigkeiten zu nutzen und dadurch in Verbindung zu bleiben und Kontakt zu halten. „In unseren Werkstätten gibt es einige Beschäftigte, die recht gut und auch gern mit Sprache umgehen können – vielleicht sogar ein poetisches Talent haben oder aber das Schreiben als Möglichkeit zur Verarbeitung von Erlebnissen und Erfahrungen nutzen“, erklärt Klockmann.

Sie begann via Telefon, E-Mail und Homepage alle aufzurufen, sich am Elfchen-Schreiben zu beteiligen. Mitgelieferte Schreibanregungen und „Baupläne“ zeigten, wie so ein Gedicht mit elf Wörtern aufgebaut ist. Aufgrund des 30jährigen Bestehens der Lebenshilfe Kreisvereinigung Börde wählten die Teilnehmer zuerst das Thema „Lebenshilfe vereint“, erweiterten dies dann um das Thema „Gefühle und Gedanken zu Corona“.

„Die Autoren des Gedichtbandes sind Menschen, die in unseren Werkstätten tätig sind. Sie haben ihre Gedanken und Gefühle, traurige und hoffnungsvolle, zu Papier gebracht. Sie nutzten die Anregungen und ließen ihrer Kreativität freien Lauf. So entstanden 30 Gedichte, die meisten zum aktuell dominierenden Thema Corona aber auch mit anderen Inhalten. Alles war erlaubt. Dank Handy und Tablet konnten die Entwürfe dann verschickt werden“, berichtetet Klockmann.

Präsentiert wurden die Gedichte zunächst auf der Homepage der Lebenshilfe – für Menschen, die nicht so gut lesen können, auch mit einer Tonspur unterlegt. Jeder Künstler hatte die Möglichkeit, sein Gedicht selbst zu sprechen. Als die Werkstätten zumindest teilweise wieder öffneten, entstanden passend zu den Gedichten, Bilder. Diese zeichneten Beschäftigte der Werkstatt für Menschen mit psychischen Erkrankungen. „Pünktlich zum Jahreswechsel konnten die Gedichte in einem Jahreskalender gedruckt und durch die Digitalisierung der WIR Werkstatt der Lebenshilfe Helmstedt-Wolfenbüttel gestaltet werden. Zusammengefügt werden die Gedichte und Bilder auch in einem Gedichtband, der gerade im Druck ist“, so Klockmann.

Der Band beinhaltet außerdem andere Projekte aus dem Corona-Alltag einer Wohneinrichtung sowie das Interview mit einer jungen Frau, die von den Kontaktbeschränkungen besonders betroffen war, da sie ihren Sohn nicht besuchen konnte.

Das Projekt trage einerseits dazu bei, dass diese besonderen Zeiten in Erinnerung bleiben und es eignete sich sehr gut dazu, eine Brücke zu bauen, als physischer Kontakt nicht möglich war. „Der Kalender und das Buch zeigen die Kreativität der Beteiligten und sind ein Beispiel dafür, dass auch in schweren Zeiten Schönes möglich ist. Alleinsein kann neben allen unangenehmen Nebenwirkungen ein guter Motor für Kreativität sein. Die entstandenen Gedichte zeigen auch, wie wichtig, und häufig unterschätzt, eine sinnerfüllende Beschäftigung und Kontakt sind. Alle Beteiligten sind sehr stolz auf das Endergebnis und haben erstmalig die Erfahrung sammeln dürfen, einen eigenen Text oder ein eigenes Bild veröffentlicht zu sehen“, lautet Klockmanns Fazit.