Richter setzt auf Inklusion

Jeden Morgen pünktlich um 5 Uhr geht es für Tanja Sprenger in die Backstube der Alstadtbäckerei Richter: Croissants und Mohnschleifen drehen, Heidesand-Kekse backen – später am Tag Bleche putzen. „Die sind immer blitzblank“, sagt Sprenger stolz – auch darauf, dass sie diesen Tätigkeiten in einer regulären Vollzeit-Stelle nachgeht. Ganz selbstverständlich ist das nicht. Sprenger hat eine geistige Behinderung.

Es gehört schon eine kleine Portion unternehmerischer Mut dazu, einen vollen inklusiven Arbeitsplatz zu stellen. Für Carsten Richter sei es aber eine Win-win-Situation gewesen. „Wir brauchten jemanden für diese Tätigkeiten und wussten, dass Tanja sie ausführen kann“, sagt der Bäcker- und Konditormeister.

Das Thema Behinderung habe sein Unternehmen schon länger beschäftigt – zunächst über einen Zukunftstag, als ein Kind mit Down-Syndrom seine Bäckerei besucht hat. Später dann beim Projekt „Brücken Bauen“, bei dem Unternehmen in sozialen Einrichtungen einen Tag lang mithelfen. So sei auch der Kontakt zur Lebenshilfe Wolfenbüttel entstanden. Die wiederum kooperierte mit der Carl-Gotthard-Langhans-Schule (CGLS) in einem Projekt mit dem Ziel, Menschen mit Behinderungen für den ersten Arbeitsmarkt fit zu machen.

Sprenger war eine der Teilnehmerinnen in einem Kursus für Hauswirtschaft. Über ein Praktikum kam sie erstmals zur Bäckerei Richter. Mit ihrer hilfsbereiten, kooperativen und freundlichen Art hat sie dort überzeugt. Seit einem guten halben Jahr ist die 27-jährige nun dort voll beschäftigt.

„Klar, gibt es bei manchen Arbeitgebern Vorbehalte“, sagt Richter. Dabei gehe das meiste relativ schnell und unbürokratisch. „Wichtig ist eine feste Bezugsperson“, berichtet Richter. Zudem kommen einfache Handgriffe und wiederkehrende Abläufe Sprenger entgegen. Von den anderen Mitarbeitern und auch sich selbst fordert Richter Geduld. „Tanja braucht für manche Dinge länger. Das muss man akzeptieren.“

Das Zusammenspiel in der Backstube sei noch immer ein Prozess – aber ein sehr erfolgreicher, wie Richter betont. „Wir sind zufrieden, sie ist zufrieden.“ Sprenger jedenfalls lächelt glücklich während der Arbeit. „Mir gefällt es hier sehr gut. Ich wurde gut ins Team aufgenommen“, findet die Wolfenbüttelerin.

Und auch Richters Bilanz ist durchweg positiv. Er könne sich sogar vorstellen, noch einen weiteren inklusiven Arbeitsplatz einzurichten. Hilfe bei der Umsetzung habe er von der Lebenshilfe stets bekommen. Zudem werde ein solcher Arbeitsplatz über das Budget für Arbeit gefördert und schmälert den Betrag für die Ausgleichsabgabe, die Arbeitgeber für jeden unbesetzten Pflichtplatz für schwerbehinderte Menschen zahlen müssen.

Über ein Praktikum könne im Grunde jeder Arbeitgeber es probieren. „Die Annäherung und Einarbeitung dauern vielleicht etwas länger. Diese Zeit ist aber für beide Seiten wichtig, um zu wissen, worauf man sich einlässt“, sagt Axel Koßmann von der Lebenshilfe Wolfenbüttel, der schon einige Erfolgsgeschichten aufzählen kann, was die Vermittlung von Menschen mit Behinderungen in den ersten Arbeitsmarkt angeht: Lehnkering, MKN oder die Seniorenbetreuung Schloss Schliestedt. Bei zahlreichen Arbeitgebern ist die Lebenshilfe Wolfenbüttel schon ein Begriff. „Ich hoffe, dass noch mehr Arbeitgeber und diesen positiven Beispielen folgen“, so Koßmann. Mitarbeiter der Lebenshilfe stehen stets dabei als Ansprechpartner für die Mitarbeiter und die Unternehmen zur Verfügung.

Eine echte Win-win-Situation: Carsten Richter mit seiner Mitarbeiterin Tanja Sprenger.