Jörg Röhmann: Lebenshilfe richtet unseren Blick auf die menschlichen Facetten

Ohne die Lebenshilfe wäre Deutschland ärmer und wohl auch gesellschaftlich kälter – das war der Tenor aller Festredner, die gestern beim Jubiläum „50 Jahre Lebenshilfe-Verein Wolfenbüttel“ antraten. Der Festakt im Zirkuszelt hinter dem Lebenshilfe-Wohnheim am Blauen Stein war Höhepunkt der Feiern in diesem Jahr. Fast 250 Gäste folgten der Einladung des Vereinsvorsitzenden Klaus Bätcke. Den Festvortrag und damit die Laudatio auf die Lebenshilfe hielt Jörg Röhmann aus Kissenbrück, Staatssekretär im Niedersächsischen Sozialministerium.

Zunächst jedoch lieferte Bätcke einen kurzen Rückblick auf die fünf Jahrzehnte „seit der Stunde Null“, als im Jahre 1966 erst Eltern, dann das Ehrenamt und schließlich Hauptamtliche die Entwicklung der Lebenshilfe vorantrieben. „In dieser Zeit haben wir einen ansprechenden, verlässlichen Rahmen für das Zusammenleben geschaffen“, freute sich Bätcke und zählte die Meilensteine für Menschen mit Behinderung auf: „Mitsprache, Beteiligtsein, Teilhabe, Integration, Inklusion.“

Vor dem Zirkuszelt am Blauen Stein (von links): Geschäftsführer Bernd Schauder, Staatssekretär Jörg Röhmann, Bürgermeister Thomas Pink, Vereinsvorsitzender Klaus Bätcke, Landrätin Christiana Steinbrügge, Landtagsabgeordneter Frank Oesterhelweg, Elke Großer als Vorsitzende des Kreis-Sozialausschusses und der Landtagsabgeordnete Björn Försterling.

 

„Es ist normal, verschieden zu sein“, lautet ein bekanntes Lebenshilfe-Zitat, Bätcke brachte es in einen Zusammenhang von „original und originell – bei allem geht es um die Individualität menschlicher Selbstbestimmung.“ Dies sei jedoch keine Sache für Einzelgänger oder Randgruppen: „Vielmehr kann ich das eigentlich jedem Menschen nur empfehlen.“

Es ist erstaunlich: In 50 Jahren hat der Verein in Bätcke erst den zweiten Vorsitzenden. Von der Gründung bis 2005 füllte der inzwischen verstorbene Dr. Karl-Dietrich Schulz dieses Amt aus. An ihn erinnerte Bätcke „mit großem Respekt und Dankbarkeit“ ebenso wie an den langjährigen Geschäftsführer Horst Hüther. Seit dessen Tod leite Bernd Schauder die Geschäfte der Lebenshilfe gGmbH Helmstedt-Wolfenbüttel mit großer Souveränität.

Auch Jörg Röhmann nimmt die Lebenshilfe im Landkreis als „große, gut aufgestellte Selbsthilfe-Organisation“ wahr. Sie sei nicht nur ein professioneller, moderner Dienstleister, „sondern ein verlässlicher Ansprechpartner für Politik und Verwaltung.“ Der Staatssekretär räumte ein, dass die Belange der Menschen mit Behinderung in der politischen Diskussion nicht selten auf ihre finanziellen Aspekte reduziert würden. „Da ist es gut, dass die Lebenshilfe uns immer wieder anstößt und unseren Blick auf die weiteren, menschlichen Facetten richtet.“

Vor allem lobte Röhmann den geglückten Versuch, für Menschen mit Behinderung eine Teilhabe am Alltag zu erreichen. „Zum Alltag gehört auch Arbeit, sie ist wichtig für den geregelten Tagesablauf, für Wertschätzung und Selbstbewusstsein.“ Der Sozialpolitiker hob dabei ein Projekt des Maschinenbauers MKN und der Lebenshilfe hervor, in dem das Wolfenbütteler Duo Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt integriert. „Das ist nicht nur ein spannender Prozess, sondern es hat sich schnell gezeigt, dass Skeptiker längst überzeugt sind, dass sich die gemeinsame Arbeit längst gewandelt hat und dass die Qualität des Zusammenlebens enorm gewachsen ist – für alle.“

Wolfenbüttels Bürgermeister Thomas Pink unterstrich, die Lebenshilfe habe die Menschen mit Behinderung in den Mittelpunkt der Gesellschaft gerückt und ihnen erstmals eine Stimme gegeben. Er attestierte dem Verein „großartige Arbeit in den vergangenen fünf Jahrzehnten“ und erinnerte daran, dass es der Lebenshilfe-Bundesvereinigung 1994 sogar gelungen sei, ihre Schützlinge ins Grundgesetz zu bekommen: Niemand dürfe aufgrund von Behinderung benachteiligt werden. „Wir können froh sein, was die Lebenshilfe in Stadt und Landkreis bewirkt hat“, sagte Pink, „denn jeder von uns kann durch Unfall oder Krankheit plötzlich zu einem Menschen mit Behinderung werden.“

Landrätin Christiana Steinbrügge dankte der Lebenshilfe für die Hilfe, behinderten Menschen ein selbständiges, eigenverantwortliches Leben zu ermöglichen. „Mit ihren zahlreichen Einrichtungen sind sie für uns ein verlässlicher Partner, und ich darf ihnen versichern: Die Anerkennung und die Wertschätzung für die Lebenshilfe ist groß im Landkreis.“

In seinem Grußwort für die gGmbH, die in Trägerschaft der Lebenshife-Vereine aus Helmstedt und Wolfenbüttel steht, überbrachte Bernd Schauder Glückwünsche aus Helmstedt und von der Lebenshilfe Ostfalen – sowie von rund 350 Mitarbeitern und zahlreichen Ehrenamtlichen. Aus seinen täglichen Erfahrungen berichtete der Geschäftsführer, die Einstellung der Gesellschaft zu Menschen mit Behinderungen habe sich positiv verändert. „Allerdings fehlt nach wie vor der letzte Schritt, um die Vorgaben der Vereinten Nationen im Bundesteilhabegesetz zu verankern.“ Dies müsse dringend nachgeholt werden, sagte er mit Blick auf die versammelte Polit-Prominenz: „Bitte lassen sie uns die Menschen nicht aus den Augen verlieren.“

Der Abend wurde umrahmt von Auftritten einen Konzertflöten-Duos sowie der Lebenshilfe-Band „Kraftzwerge“ um Rolf Kaufmann. Sie stellte Stücke aus ihrer kürzlich fertiggestellten CD vor und heizte den Gästen im Zelt mächtig ein. Danach trafen sich alle zu Häppchen und Gedankenaustausch in der Kantine des Lebenshilfe-Hauses.

 


Die Band Kraftzwerge bei der Vorstellung ihres iFone 8: Die Rückkehr zur Wählscheibe.

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