„Kleine Gruppen sind großer Baustein“

 

„Das Konzept des Sprachheilkindergartens ist ein Unikat. Niedersachsen ist das einzige Land, in dem jeder Kreis eine solche Institution hat“, erklärte Kristine Voigt, Leiterin des Sprachheilkindergartens der Lebenshilfe in Wolfenbüttel. Ihrer Einladung in die Einrichtung an der Dietrich-Bonhoefer-Straße folgten die Landtagsabgeordneten Dörthe Weddige-Degenhardt, Björn Försterling sowie die Kreistagsmitglieder Falk Hensel und Berthold Brücher. Nach dem der landesweite Tag des Sprechens kürzlich zahlreiche Eltern und Fachpersonal in die Sprachheilkindergärten des Landes lockte, sei es jetzt auch wichtig der Politk dieses einmalige System näher zu bringen, sagte Voigt zur Begrüßung der Politiker und des Wolfenbütteler Lebenshilfe-Geschäftsführers Bernd Schauder.

Kristine Voigt (Mitte) und Bernd Schauder (hinten rechts) brachten dem Besuch aus Land- und Kreistag das Konzept Sprachheilkindergarten näher: von links Falk Hensel, Björn Försterling, Berthold Brücher und (vorne rechts) Dörthe Weddige-Degenhardt.

Gerade in der Debatte um Inklusion würden Einrichtungen wie die Sprachheilkindergärten fälschlicherweise kritisch betrachtet, so Voigt. „Zu uns kommen nur die Kinder, die in  Regelkindergärten nicht gut klargekommen sind oder deren sprachliche Entwicklung, trotz ambulanter Therapie  nicht die erwünschten Fortschritte zeige“, so die Einrichtungsleiterin. Es gebe klare Kriterien für die Aufnahme. Wichtigste Richtlinie: die Kinder müssen mindestens vier Jahre alt sein und bereits ambulante Therapie erhalten haben.

 

Ein Fachberater des niedersächsischen Landesamtes  entscheidet dann, ob ein Besuch des Sprachheilkindergartens in Frage komme. Zeigen die Kinder deutliche Rückstände in der Entwicklung der Grammatik, des Wortschatzes oder der Lautbildung ist ein Wechsel in den Sprachheilkindergarten angezeigt. „Die Kommunikation und Zusammenarbeit mit den Regelkindergärten hat sich in dieser Frage enorm verbessert“, erklärt Voigt.

Die Arbeitsweise beim Sprachheilkindergarten biete ein besonderes Zusatzangebot: „Ein wichtiger Baustein unserer Arbeit sind die kleinen Gruppen“, so Voigt. Acht Kinder seien für jede Gruppe das Limit. So können sich Erzieher besser auf die Belange der einzelnen Kinder konzentrieren. „Bei uns spüren die Kinder eine klare Entlastung und merken, dass hier jeder sein Päckchen zu tragen hat“, erzählt Voigt. Im Sprachheilkindergarten trauen sich  Kinder mit  Sprachentwicklungsstörungen dann, zu sprechen – der einzige Weg, Fortschritte zu erzielen.

Alle Kinder werden zunächst nur für ein Jahr aufgenommen, eine Verlängerung ist möglich. „In dem Zeitraum haben viele Kinder ihre Defizite größtenteils aufgeholt“, so Voigt. Dann gehen sie danach wieder in den Regelkindergarten oder werden eingeschult, in die örtliche Regelschule oder in die Sprachheilklassen der Schule am Teichgarten. Den meisten Kindern fehle wichtige Entwicklungszeit, weil sie beispielsweise spät anfangen, zu sprechen. Bei der Einschulung ist dann oft der Lese- und Rechtschreib-Unterricht ein schwere Hürde. Aber auch diese können viele Kinder meistern – manchmal mit besonders erfreulichen Resultaten: „Auf dem Sommerfest der Lebenshilfe habe ich eine ehemalige Besucherin des Sprachheilkindergartens getroffen. Sie geht jetzt zum Gymnasium und plant derzeit, Sprachreisen nach England zu unternehmen“, erzählt Voigt stolz.

Diese erfolgreiche Arbeit und die etablierte Struktur der Sprachheilkindergärten gelte es, zu erhalten und zu fördern, so Voigt. Und die anwesenden Politiker stimmten ihr zu und versicherten ihre Unterstützung. So erklärte Brücher beispielsweise: „Inklusion ist ein wichtiges Ziel. Aber das Umfeld ist noch nicht so weit, dass sofort überall inkludiert werden könnte.“ Diese Entwicklung brauche mehrere Generationen, pflichtete ihm Hensel bei. Försterling betonte die aktive Integrationsarbeit des Sprachheilkindergartens der Lebenshilfe: „In zwanzig Jahren sieht man es niemandem mehr an, dass er vielleicht ein Jahr lang den Sprachheilkindergarten besucht hat. Das ist gelungene Integration.“ Weddige-Degenhardt sagte: „Da haben wir als Gesellschaft einen enormen Nachholbedarf und müssen einen Schritt weiterkommen.“ Es sei sinnvoll auch in die Früherziehung zu investieren. „In der Beziehung ist die Lebenshilfe in Wolfenbüttel gut aufgestellt“, so Einrichtungsleiterin Voigt abschließend.